Wir lehnen den „Kompromiss“ ab, den der EU-Ministerrat zu Asylverfahren in Europa beschlossen hat. Wir verstehen die Bemühungen zu einer für die Staaten an den Außengrenzen der EU besseren Regelung zu kommen, da sie unter dem bisherigen System oft mit der Aufnahme der Geflüchteten allein gelassen werden. Der „Kompromiss“ ist dafür aber kein taugliches Instrument, da dies nicht zu einer wirksamen Entlastung führt und gleichzeitig die europäischen Werte und die Menschenrechte verrät. Er führt zu einer Verschlechterung der Situation Geflüchteter und versucht vergeblich rechtsgerichtete Regierungen in Europa durch Anpassung hinterher zu laufen. Konkret kritisieren wir insbesondere die Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen: Schon heute gibt es keine einheitliche rechtliche Situation noch einheitliche Standards in allen Staaten der EU zur Prüfung auf Asyl. Viele Bescheide des BAMFs (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) werden von Gerichten revidiert. Es ist zu erwarten, dass die Prüfungen an den Außengrenzen in vielen Fällen zum Nachteil der Asylsuchenden ausgehen. Darüber hinaus ist die Unterbringung in Lagern an der Außengrenze haftähnlich, wenn die Geflüchteten diese nicht in Richtung der EU verlassen dürfen.. Von der Flucht oftmals traumatisiert, sind Geflüchtete damit für Hilfsorganisationen schwer zugänglich. Dies als Verbesserung der Situation darzustellen ist zynisch und unangemessen.
Ohne eine diplomatische Lösung und Suche nach einem Gespräch mit den Staaten in West und Zentralafrika, ist auch die Idee eines schnellen Asylverfahrens an den EU Grenzen bereits jetzt zum Scheitern verurteilt, wenn die Menschen, die Asyl nicht bekommen, nicht zurückreisen können. Die sichere Rückreise ist in dem Fall nicht möglich, weil es keine Einigung mit den Herkunftsländern und Transferländern (wie die des Westbalkans) gibt. Dies wird nur zu ähnlich elenden Zuständen wie in Moria führen.
Unabhängig davon sieht der Kompromiss vor, dass bei abgelehnten Asylanträgen auch eine Abschiebung in Drittstaaten möglich sein soll. Hierfür sollen Abkommen mit vermeintlich sicheren Drittstaaten geschlossen werden, Abschiebungen werden damit erleichtert und wahrscheinlicher und gleichzeitig unsicherer und gefährlicher.
Das Recht auf Asyl ist ein individuelles Recht. Basierend auf der Herkunft, die Erfolgswahrscheinlichkeit zu beurteilen, widerspricht der Idee, jede individuelle Situation einzeln zu prüfen.
Der Aussage der Bundesregierung, dass dies für Geflüchtete aus Syrien oder Afghanistan nicht gilt, wird von vielen NGOs widersprochen: Wenn Menschen über sichere Drittstaaten fliehen – was fast immer der Fall ist – können die Mitgliedstaaten laut dem Text des Kompromisses entscheiden, diese Menschen in die Grenzverfahren aufzunehmen. Hochproblematisch ist auch, dass die Definition sicherer Drittstaaten zukünftig in die Entscheidungsmacht der Nationalstaaten übergehen soll. Das wird zur Folge haben, dass gerade die Staaten an den EU-Außengrenzen Probleme in den Drittstaaten ignorieren und diese als „sicher“ deklarieren werden, um Asylsuchende in die Grenzverfahren zu bringen und um sie im Zweifel auch in Transitländer abschieben zu können. Auch der hochgepriesene Verteilungsschlüssel innerhalb der EU läuft ins Leere, wenn sich einzelne Mitgliedstaaten freikaufen können. Durch die Ausgleichszahlungen wird die Nicht-Unterbringung von Geflüchteten zum marktwirtschaftlichen Gut innerhalb der Europäischen Union.
Unabhängig von den konkreten Problemen des Kompromisses ist es vor allem die generelle ideologische Ausrichtung, die ihm zugrunde liegt, die höchst problematisch ist: Der Beschluss des Ministerrats verstärkt die Festung Europa und trägt zu einer weiteren Abschottung bei. Flucht wird weiterhin kriminalisiert, das Sterben im Mittelmeer findet weiterhin kein Ende und Fluchtrouten werden weiterhin unsicher bleiben.
Den Anstieg der rechts-populistischen Parteien in der EU unterbindet man nicht, indem man die Politik und Rhetorik dieser Parteien in den eigenen Beschlüssen und Reformen umsetzt. Es schleicht sich der Eindruck ein, dass die Regierungen unbedingt eine Reform vor der nächsten Europawahl umsetzen möchten, damit man in einem Jahr sagen kann, man hätte die Anzahl der Asylsuchender gesenkt – aber um welchen Preis? Um den Preis, dass man mit dem Leben der Tausenden von Menschen pokert und die eigene „Werte“ und Rechtsprinzipien für nichtig erklärt. Das höchste Ziel der Regierungen der EU und der Institutionen der EU, um ihre sogenannten humanistischen Werte wieder glaubwürdig zu machen, sollte ein Vision Zero (Null Tote an den EU-Grenzen) für das Mittelmeer und eigene Grenzen sein.
Unsere Asylpolitik muss auch einen besonderen Fokus auf den Schutz der Kinderrechte haben. Kinder erleben in den Krisen Traumatisierung und verlieren ihre Lebensgrundlage. Mit der UN-Kinderrechtskonvention haben sich fast alle Staaten weltweit auf den Schutz von Kindern geeinigt. Aus diesem Grund ist es mehr als wichtig dass die Mitgliedsstaaten der EU sich für den Schutz der Kinder, besonders auf ihren Grenzen einsetzen, die internationale Vereinbarungen einhalten und die finanziellen Mindeststandards für die Humanitäre Missionen für Kinderschutz sichern (der Bedarf ist weltweit nur zu 43% gedeckt).
Wir begrüßen, dass der Münchner Stadtrat bereits in der Vollversammlung am 29.09.2021 die Erklärung europäischer Städte von Palermo bestätigt hat. Diese Erklärung hat schon damals die anstehenden Entwicklungen antizipiert und sich politisch klar dagegen gestellt. München ist sicherer Hafen und ist weiterhin bereit, Geflüchtete aufzunehmen und gut in die vielfältige und bunte Stadtgesellschaft zu integrieren.
Wir fordern die Mitglieder des Europäischen Parlaments und die Bundesregierung auf, sich im anstehenden Trilog gegen die Ratifizierung dieses Kompromisses einzusetzen. Außerdem fordern wir konkret:
- Das Recht auf Asyl muss individuell geprüft werden, die Herkunft darf dabei keine Rolle spielen
- Keine Lager an den Außengrenzen
- Keine Abschiebung in Drittstaaten
- Strenge Prüfungen der Anerkennung von Staaten als sichere Drittstaaten und Entscheidungen darüber gemeinsam in der europäischen Union
- Eine faire Verteilung in Europa, aus der sich niemand freikaufen kann
- Es braucht endlich sichere Fluchtrouten sowohl über Land als auch über Wasser. Das Sterben muss endlich ein Ende haben
- Die von der Bundesregierung bereitgestellten Mittel müssen endlich an Initiativen der privaten Seenotrettung fließen
Änderungsanträge
Status | Kürzel | Seite | Zeile | AntragstellerInnen | Text | |
---|---|---|---|---|---|---|
in geänderter Fassung angenommen | 1/II/2023 / Z 1-6 / ÄA 6 | 1-6 | Geschäftsführender Vorstand der SPD München (Gerhard Mayer, Christian Köning, Lena Odell, Verena Dietl, Anno Dietz, Micky Wenngatz, Gesche Hofmann-Weiß) | Ändere Zeile 1 bis 6 in: Wir lehnen den "Kompromiss" ab, den der EU-Ministerrat zu Asylverfahren in Europa beschlossen hat. Wir verstehen die Bemühungen zu einer für die Staaten an den Außengrenzen der EU besseren Regelung zu kommen, da sie unter dem bisherigen System oft mit der Aufnahme der Geflüchteten allein gelassen werden. Der "Kompromiss" ist dafür aber kein taugliches Instrument, da dies nicht zu einer wirksamen Entlastung führt und gleichzeitig die europäischen Werte und die Menschenrechte verrät. Er führt zu einer Verschlechterung der Situation Geflüchteter und versucht vergeblich rechtsgerichtete Regierungen in Europa durch Anpassung hinterher zu laufen. | ||
angenommen | 1/II/2023 / Z 15 / ÄA 3 | 15 | Jusos München | Ändere Zeile 15 in: Wenn die Geflüchteten diese nicht in Richtung der EU verlassen dürfen. | ||
angenommen | 1/II/2023 / Z 41 / ÄA 1 | 41 | Jusos München | Ergänze nach Zeile 41: Hochproblematisch ist auch, dass die Definition sicherer Drittstaaten zukünftig in die Entscheidungsmacht der Nationalstaaten übergehen soll. Das wird zur Folge haben, dass gerade die Staaten an den EU-Außengrenzen Probleme in den Drittstaaten ignorieren und diese als "sicher" deklarieren werden, um Asylsuchende in die Grenzverfahren zu bringen und um sie im Zweifel auch in Transitländer abschieben zu können | ||
angenommen | 1/II/2023 / Z 74 / ÄA 5 | 74 | Jusos München | Ergänze nach Zeile 74: Wir begrüßen, dass der Münchner Stadtrat bereits in der Vollversammlung am 29.09.2021 die Erklärung europäischer Städte von Palermo bestätigt hat. Diese Erklärung hat schon damals die anstehenden Entwicklungen antizipiert und sich politisch klar dagegen gestellt. München ist sicherer Hafen und ist weiterhin bereit, Geflüchtete aufzunehmen und gut in die vielfältige und bunte Stadtgesellschaft zu integrieren. | ||
angenommen | 1/II/2023 / Z 84 / ÄA 2 | 84 | Jusos München | Ändere Zeile 84 in: Strenge Prüfungen der Anerkennung von Staaten als sichere Drittstaaten und Entscheidungen darüber gemeinsam in der europäischen Union | ||
angenommen | 1/II/2023 / Z 87 / ÄA 4 | 87 | Jusos München | Ergänze in Zeile 87: Die von der Bundesregierung bereitgestellten Mittel müssen endlich an Initiativen der privaten Seenotrettung fließen. |
Wir lehnen den „Kompromiss“ ab, den der EU-Ministerrat zu Asylverfahren in Europa beschlossen hat. Wir verstehen die Bemühungen zu einer für die Staaten an den Außengrenzen der EU besseren Regelung zu kommen, da sie unter dem bisherigen System oft mit der Aufnahme der Geflüchteten allein gelassen werden. Der „Kompromiss“ ist dafür aber kein taugliches Instrument, da dies nicht zu einer wirksamen Entlastung führt und gleichzeitig die europäischen Werte und die Menschenrechte verrät. Er führt zu einer Verschlechterung der Situation Geflüchteter und versucht vergeblich rechtsgerichtete Regierungen in Europa durch Anpassung hinterher zu laufen. Konkret kritisieren wir insbesondere die Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen: Schon heute gibt es keine einheitliche rechtliche Situation noch einheitliche Standards in allen Staaten der EU zur Prüfung auf Asyl. Viele Bescheide des BAMFs (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) werden von Gerichten revidiert. Es ist zu erwarten, dass die Prüfungen an den Außengrenzen in vielen Fällen zum Nachteil der Asylsuchenden ausgehen. Darüber hinaus ist die Unterbringung in Lagern an der Außengrenze haftähnlich, wenn die Geflüchteten diese nicht in Richtung der EU verlassen dürfen.. Von der Flucht oftmals traumatisiert, sind Geflüchtete damit für Hilfsorganisationen schwer zugänglich. Dies als Verbesserung der Situation darzustellen ist zynisch und unangemessen.
Ohne eine diplomatische Lösung und Suche nach einem Gespräch mit den Staaten in West und Zentralafrika, ist auch die Idee eines schnellen Asylverfahrens an den EU Grenzen bereits jetzt zum Scheitern verurteilt, wenn die Menschen, die Asyl nicht bekommen, nicht zurückreisen können. Die sichere Rückreise ist in dem Fall nicht möglich, weil es keine Einigung mit den Herkunftsländern und Transferländern (wie die des Westbalkans) gibt. Dies wird nur zu ähnlich elenden Zuständen wie in Moria führen.
Unabhängig davon sieht der Kompromiss vor, dass bei abgelehnten Asylanträgen auch eine Abschiebung in Drittstaaten möglich sein soll. Hierfür sollen Abkommen mit vermeintlich sicheren Drittstaaten geschlossen werden, Abschiebungen werden damit erleichtert und wahrscheinlicher und gleichzeitig unsicherer und gefährlicher.
Das Recht auf Asyl ist ein individuelles Recht. Basierend auf der Herkunft, die Erfolgswahrscheinlichkeit zu beurteilen, widerspricht der Idee, jede individuelle Situation einzeln zu prüfen.
Der Aussage der Bundesregierung, dass dies für Geflüchtete aus Syrien oder Afghanistan nicht gilt, wird von vielen NGOs widersprochen: Wenn Menschen über sichere Drittstaaten fliehen – was fast immer der Fall ist – können die Mitgliedstaaten laut dem Text des Kompromisses entscheiden, diese Menschen in die Grenzverfahren aufzunehmen. Hochproblematisch ist auch, dass die Definition sicherer Drittstaaten zukünftig in die Entscheidungsmacht der Nationalstaaten übergehen soll. Das wird zur Folge haben, dass gerade die Staaten an den EU-Außengrenzen Probleme in den Drittstaaten ignorieren und diese als „sicher“ deklarieren werden, um Asylsuchende in die Grenzverfahren zu bringen und um sie im Zweifel auch in Transitländer abschieben zu können. Auch der hochgepriesene Verteilungsschlüssel innerhalb der EU läuft ins Leere, wenn sich einzelne Mitgliedstaaten freikaufen können. Durch die Ausgleichszahlungen wird die Nicht-Unterbringung von Geflüchteten zum marktwirtschaftlichen Gut innerhalb der Europäischen Union.
Unabhängig von den konkreten Problemen des Kompromisses ist es vor allem die generelle ideologische Ausrichtung, die ihm zugrunde liegt, die höchst problematisch ist: Der Beschluss des Ministerrats verstärkt die Festung Europa und trägt zu einer weiteren Abschottung bei. Flucht wird weiterhin kriminalisiert, das Sterben im Mittelmeer findet weiterhin kein Ende und Fluchtrouten werden weiterhin unsicher bleiben.
Den Anstieg der rechts-populistischen Parteien in der EU unterbindet man nicht, indem man die Politik und Rhetorik dieser Parteien in den eigenen Beschlüssen und Reformen umsetzt. Es schleicht sich der Eindruck ein, dass die Regierungen unbedingt eine Reform vor der nächsten Europawahl umsetzen möchten, damit man in einem Jahr sagen kann, man hätte die Anzahl der Asylsuchender gesenkt – aber um welchen Preis? Um den Preis, dass man mit dem Leben der Tausenden von Menschen pokert und die eigene „Werte“ und Rechtsprinzipien für nichtig erklärt. Das höchste Ziel der Regierungen der EU und der Institutionen der EU, um ihre sogenannten humanistischen Werte wieder glaubwürdig zu machen, sollte ein Vision Zero (Null Tote an den EU-Grenzen) für das Mittelmeer und eigene Grenzen sein.
Unsere Asylpolitik muss auch einen besonderen Fokus auf den Schutz der Kinderrechte haben. Kinder erleben in den Krisen Traumatisierung und verlieren ihre Lebensgrundlage. Mit der UN-Kinderrechtskonvention haben sich fast alle Staaten weltweit auf den Schutz von Kindern geeinigt. Aus diesem Grund ist es mehr als wichtig dass die Mitgliedsstaaten der EU sich für den Schutz der Kinder, besonders auf ihren Grenzen einsetzen, die internationale Vereinbarungen einhalten und die finanziellen Mindeststandards für die Humanitäre Missionen für Kinderschutz sichern (der Bedarf ist weltweit nur zu 43% gedeckt).
Wir begrüßen, dass der Münchner Stadtrat bereits in der Vollversammlung am 29.09.2021 die Erklärung europäischer Städte von Palermo bestätigt hat. Diese Erklärung hat schon damals die anstehenden Entwicklungen antizipiert und sich politisch klar dagegen gestellt. München ist sicherer Hafen und ist weiterhin bereit, Geflüchtete aufzunehmen und gut in die vielfältige und bunte Stadtgesellschaft zu integrieren.
Wir fordern die Mitglieder des Europäischen Parlaments und die Bundesregierung auf, sich im anstehenden Trilog gegen die Ratifizierung dieses Kompromisses einzusetzen. Außerdem fordern wir konkret:
- Das Recht auf Asyl muss individuell geprüft werden, die Herkunft darf dabei keine Rolle spielen
- Keine Lager an den Außengrenzen
- Keine Abschiebung in Drittstaaten
- Strenge Prüfungen der Anerkennung von Staaten als sichere Drittstaaten und Entscheidungen darüber gemeinsam in der europäischen Union
- Eine faire Verteilung in Europa, aus der sich niemand freikaufen kann
- Es braucht endlich sichere Fluchtrouten sowohl über Land als auch über Wasser. Das Sterben muss endlich ein Ende haben
- Die von der Bundesregierung bereitgestellten Mittel müssen endlich an Initiativen der privaten Seenotrettung fließen