1/I/2024 Echte Wiedergutmachung statt Symbolpolitik: Ein neues Abkommen zum Völkermord an den Herero und Nama

Status:
angenommen

Die koloniale Vergangenheit Deutschlands wird von der hiesigen Bevölkerung und Politik gerne verdrängt und ignoriert. Die wenigsten wissen, dass noch vor etwas über hundert Jahren das heutige Namibia die Kolonie („Schutzgebiet“) „Deutsch-Südwestafrika“ bildete, und dass sich in dieser Kolonie der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts ereignete. Die ethnischen Gruppen der Herero und Nama begannen 1904 einen Aufstand gegen das deutsche Kolonial-Regime, da ihnen weiße Siedler*innen Land wegnahmen und somit ihre Lebensgrundlage gefährdeten. Viele Herero und Nama mussten für die neuen Herren sklavenähnlich auf Land arbeiten, das ihnen zuvor selbst gehörte. Der Aufstand wurde von den deutschen Schutztruppen unter Generalleutnant Lothar von Trotha bis Ende 1904 militärisch niedergeschlagen. Darüber hinaus wurden die Herero und Nama in die Omaheke-Wüste getrieben und am Verlassen der Wüste gehindert. Dort starben viele von ihnen an Durst und Hunger. Es war das bewusste Ziel von Trothas und seiner Befehlshaber, die Herero und Nama als Volksgruppen auszulöschen. Gefangene Herero und Nama wurden in Konzentrationslager gesperrt. Zwangsarbeit, Krankheiten, Unterernährung und die katastrophalen hygienischen Verhältnisse dort forderten weitere zahlreiche Opfer. Es wird geschätzt, dass um die 100.000 Herero und Nama 1904 bis 1908 ums Leben kamen. 2015, nach über hundert Jahren, begannen Verhandlungen zwischen der deutschen Bundesregierung und der Regierung von Namibia über ein Abkommen zur Wiedergutmachung des Völkermords. Dieser Vertrag wurde 2021 fertiggestellt und soll Zahlungen von 1,1 Milliarden Euro, den Aufbau einer Erinnerungsstiftung und eine offizielle Entschuldigung Deutschlands umfassen. Der Vertrag wurde aber nur mit der Regierung von Namibia verhandelt, nicht aber mit den Opfer-Vertretungen der Herero und Nama selbst. Diese Verbände protestieren daher gegen die Ratifizierung des Vertrages durch das namibische Parlament. Sie kritisieren auch, dass die Anerkennung des Völkermords nur „historisch“ vollzogen wird, nicht aber juristisch – denn das würde Schadensersatzforderungen nach sich ziehen und wäre ein Präzedenzfall für die Sühnung anderer Kolonialverbrechen. Genau das ist aber zu erreichen. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Vertragsverhandlungen noch einmal zu öffnen und die Verbände der Herero und Nama einzubeziehen. Der Völkermord muss endlich auch als solcher juristisch anerkannt werden! Der neue Vertrag kann dann als Vorbild dienen für weitere Verhandlungen mit Tansania, Burundi, Ruanda und Mosambik sowie Verbänden der Nachfahren von Opfern des Maji-Maji-Aufstands im damaligen Deutsch-Ostafrika. Verschiedene ethnische Gruppen hatten damals den Krieg gegen die deutschen Besatzer*innen begonnen, der ebenfalls mit äußerster Gewalt niedergeschlagen wurde und zehntausende Opfer forderte.
Vor Kurzem war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Tansania, um sich für die deutschen Kolonialverbrechen, insbesondere die blutige Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstandes, im Namen Deutschlands zu entschuldigen. Dies ist ein erster Schritt, aber es darf nicht der letzte sein.

Daher fordern wir:

  • Erneute Öffnung der Vertragsverhandlung zwischen der Bundesrepublik und Namibia, Einbeziehen der Opferorganisationen und Verbände der Herero und Nama.
  • Juristische Anerkennung des Völkermords
  • Eröffnung von Verhandlungen mit den Nachfolgestaaten von Deutsch-Ostafrika (Tansania, Burundi, Ruanda und Mosambik) und den Verbänden der Nachfahren der Opfer des Maji-Maji-Aufstandes 1905-1907 für ein gleichwertiges Abkommen
  • Beziehungen auf Augenhöhe mit allen Nachfolgestaaten deutscher Kolonien, Sühnung von kolonialem Unrecht in deutschen Namen
Beschluss: angenommen
Text des Beschlusses:

Die koloniale Vergangenheit Deutschlands wird von der hiesigen Bevölkerung und Politik gerne verdrängt und ignoriert. Die wenigsten wissen, dass noch vor etwas über hundert Jahren das heutige Namibia die Kolonie („Schutzgebiet“) „Deutsch-Südwestafrika“ bildete, und dass sich in dieser Kolonie der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts ereignete. Die ethnischen Gruppen der Herero und Nama begannen 1904 einen Aufstand gegen das deutsche Kolonial-Regime, da ihnen weiße Siedler*innen Land wegnahmen und somit ihre Lebensgrundlage gefährdeten. Viele Herero und Nama mussten für die neuen Herren sklavenähnlich auf Land arbeiten, das ihnen zuvor selbst gehörte. Der Aufstand wurde von den deutschen Schutztruppen unter Generalleutnant Lothar von Trotha bis Ende 1904 militärisch niedergeschlagen. Darüber hinaus wurden die Herero und Nama in die Omaheke-Wüste getrieben und am Verlassen der Wüste gehindert. Dort starben viele von ihnen an Durst und Hunger. Es war das bewusste Ziel von Trothas und seiner Befehlshaber, die Herero und Nama als Volksgruppen auszulöschen. Gefangene Herero und Nama wurden in Konzentrationslager gesperrt. Zwangsarbeit, Krankheiten, Unterernährung und die katastrophalen hygienischen Verhältnisse dort forderten weitere zahlreiche Opfer. Es wird geschätzt, dass um die 100.000 Herero und Nama 1904 bis 1908 ums Leben kamen. 2015, nach über hundert Jahren, begannen Verhandlungen zwischen der deutschen Bundesregierung und der Regierung von Namibia über ein Abkommen zur Wiedergutmachung des Völkermords. Dieser Vertrag wurde 2021 fertiggestellt und soll Zahlungen von 1,1 Milliarden Euro, den Aufbau einer Erinnerungsstiftung und eine offizielle Entschuldigung Deutschlands umfassen. Der Vertrag wurde aber nur mit der Regierung von Namibia verhandelt, nicht aber mit den Opfer-Vertretungen der Herero und Nama selbst. Diese Verbände protestieren daher gegen die Ratifizierung des Vertrages durch das namibische Parlament. Sie kritisieren auch, dass die Anerkennung des Völkermords nur „historisch“ vollzogen wird, nicht aber juristisch – denn das würde Schadensersatzforderungen nach sich ziehen und wäre ein Präzedenzfall für die Sühnung anderer Kolonialverbrechen. Genau das ist aber zu erreichen. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Vertragsverhandlungen noch einmal zu öffnen und die Verbände der Herero und Nama einzubeziehen. Der Völkermord muss endlich auch als solcher juristisch anerkannt werden! Der neue Vertrag kann dann als Vorbild dienen für weitere Verhandlungen mit Tansania, Burundi, Ruanda und Mosambik sowie Verbänden der Nachfahren von Opfern des Maji-Maji-Aufstands im damaligen Deutsch-Ostafrika. Verschiedene ethnische Gruppen hatten damals den Krieg gegen die deutschen Besatzer*innen begonnen, der ebenfalls mit äußerster Gewalt niedergeschlagen wurde und zehntausende Opfer forderte.
Vor Kurzem war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Tansania, um sich für die deutschen Kolonialverbrechen, insbesondere die blutige Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstandes, im Namen Deutschlands zu entschuldigen. Dies ist ein erster Schritt, aber es darf nicht der letzte sein.

Daher fordern wir:

  • Erneute Öffnung der Vertragsverhandlung zwischen der Bundesrepublik und Namibia, Einbeziehen der Opferorganisationen und Verbände der Herero und Nama.
  • Juristische Anerkennung des Völkermords
  • Eröffnung von Verhandlungen mit den Nachfolgestaaten von Deutsch-Ostafrika (Tansania, Burundi, Ruanda und Mosambik) und den Verbänden der Nachfahren der Opfer des Maji-Maji-Aufstandes 1905-1907 für ein gleichwertiges Abkommen
  • Beziehungen auf Augenhöhe mit allen Nachfolgestaaten deutscher Kolonien, Sühnung von kolonialem Unrecht in deutschen Namen
Beschluss-PDF:
Überweisungs-PDF: