7/II/2023 Burschis anfechten - kommunale Strategie gegen rechte Studierendenverbindungen

Status:
Überweisung

In einer Gesellschaft, in der rechtspopulistische und rechtsextreme Stimmen immer mehr Zuspruch bekommen, ist der Kampf für eine offene und solidarische Demokratie wichtiger denn je. Oft liegt der Fokus der öffentlichen Debatte besonders auf rechtsextremen Parteien und Bündnissen, welche unsere Demokratie auf der Straße und in den Parlamenten aktiv bekämpfen. Weniger Aufmerksamkeit bekommen hierbei rechte bis rechtsextreme und christlich-fundamentale Studierendenverbindungen und Burschenschaften. Diese studentischen Männerbünde werden aufgrund ihrer langen Tradition teilweise als legitimer Bestandteil unserer Gesellschaft wahrgenommen, wenngleich einige Studierendenverbindungen völkisches, antisemitisches und antifeministisches Gedankengut vertreten, antidemokratische Strukturen und Netzwerke bis weit hinein in die rechtsextreme Szene mit Organisationen und Parteien wie die Identitäre Bewegung, Junge Alternative, NPD oder AfD  pflegen. Nicht alle Studierendenverbindungen und Burschenschaften sind gleich zu sehen und nicht alle sind rechtsextrem. Gleichzeitig sind diejenigen Verbindungen, die im konservativen oder christlichen politischen Spektrum unterwegs sind oft ein Feigenblatt für die Legitimation anderer, extremer rechter Gruppierungen. Daraus und aus der oft antifeministischen Grundhaltung auch unpolitischer Studierendenverbindungen leiten wir eine Kritik an Burschenschaften insgesamt ab, insbesondere stehen aber im Fokus dieses Antrags und unserer Kritik vor allem die extremen rechten Verbindungen. Insbesondere Studierendenverbindungen, die unter dem Dachverband der “Deutschen Burschenschaft (DB)” organisiert sind, können als offen rechts bis rechtsextrem eingestuft werden. Am Beispiel von München trifft dies auf die Verbindungen Alemannia, Cimbria, Stauffia und Danubia zu, während letztere vom bayerischen Verfassungsschutz als “rechtsextrem” eingestuft und beobachtet wird. Werte wie “Ehre-Freiheit-Vaterland”, “Abstammung”, “Siedlungsraum in Europa” oder “Volksgemeinschaft” sowie das Absingen aller drei Strophen des Deutschlandliedes werden hier offen propagiert und zeigen das wahre Gesicht einiger Studierendenverbindungen, deren ehemaligen Mitglieder oftmals wichtige Positionen in Politik und Wirtschaft besetzen. Auch die Schlagzeilen antisemitischer Liederbücher rechter Studierendenverbindungen in Österreich und die Verstrickungen mit der FPÖ zeugen von einem weit verzweigten Netzwerk und einer antisemitischen, völkisch-nationalen und rechtsextremen Weltanschauung. Die Tatsache, dass diese oft “pflichtschlagenden” Verbindungen im Besitz von Waffen und bei der Durchführung von sogenannten “Mensuren” schwere Unfälle keine Seltenheit sind, verstärkt die von rechten Studierendenverbindungen ausgehende Gefahr gegenüber der Gesellschaft. Ein weiteres Problem bilden die toxisch-männlichen Hierarchie-Strukturen innerhalb der männlichen Studierendenverbindungen selbst. Hierbei sind Demütigungen und menschenunwürdiges Verhalten “alter Burschis” gegenüber neuen Anwärtern, einem sogenannten “Fuchs” oder auch “Fux”, häufiger Teil des Alltags. Junge Menschen werden so oftmals durch den bestehenden Gruppenzwang und die Befehlskultur zu gefährlichen Mutproben und gesundheitsschädlichen Trinkgelagen gezwungen und sind häufig Opfer von übergriffigem Verhalten. Für uns als antifaschistischer und feministischer Jugendverband  ist eine Toleranz von rechtsextremen und patriarchalen “Elite-Verbänden” mit Verbindungen in Politik und Wirtschaft nicht hinnehmbar und muss daher konsequent bekämpft werden. Rechte Studierendenverbindungen spiegeln nicht die Realität einer demokratischen, toleranten und solidarischen Gesellschaft wider und die regelmäßigen Gewalttaten, ihre nationalistische, antisemitische und antifeministische Grundhaltung und die Netzwerke bis weit in die rechtsextreme Szene zeigen das wahre Gesicht der sogenannten “Bünde fürs Leben”.

Forderungen:
Wir fordern daher eine kommunale Strategie der Stadt München zur konsequenten Bekämpfung rechter Studierendenverbindungen. Es muss ein Schutz für junge Menschen gewährleistet werden, die oftmals ungewollt in die Fänge rechter Verbindungen geraten, sich dort radikalisieren und ein Ausstieg nur schwer möglich ist. Die Strategie der Stadt München soll als Vorbild für weitere Universitätsstädte dienen. Untere anderem sollen folgende Punkte teil dieser Strategie sein:
Etablierung anonymer Hilfsangebote für Mitglieder von Studierendenverbindungen
Studierendenverbindungen setzen häufig auf eine klar hierarchische Struktur, welche in der Regel zu einem künstlich erzeugten Machtgefälle zwischen den einzelnen Mitgliedern führt. Insbesondere neue oder “niedriger gestellte Mitglieder” werden in solchen Strukturen häufig Opfer von physischer oder psychischer Gewalt. Besonders hervorzuheben sind hierbei rechte Burschenschaften, in deren Struktur Demütigungen, übergriffiges Verhalten und Gewalt als “normal” angesehen werden. Aufgrund der Tatsache, dass die Täter*innen häufig in der Hierarchie höher gestellt sind, sowie durch einen stark ausgeprägten Korpsgeist, ist das Ersuchen von Hilfe innerhalb der Organisation ohne Konsequenzen so gut wie unmöglich. Eine externe Meldestelle kann daher als anonyme und externe Anlaufstelle dienen und der Stadt eine Übersicht zur Situation innerhalb der Strukturen geben.
Etablierung eines kommunalen Exit Angebots
Ein Ausstieg aus rechten Studierendenverbindungen ist aufgrund der teilweise sektenartigen Strukturen nur schwer möglich. Wie einige andere Gemeinschaften setzen auch rechten Studierendenverbindungen auf eine starke Identifikation mit der Gruppe und Widerspruch aus der Öffentlichkeit oder dem familiären Umfeld führt dabei oft zu einer starken Abschottung der Mitglieder. Kombiniert mit einer finanziellen Abhängigkeit sowie Drohungen ist ein Ausstieg mit großen Ängsten verbunden und wir so zusätzlich erschwert. Die Stadt muss daher Aussteigerprogramme mit Fokus auf rechte Studierendenverbindungen entwickeln und fördern. Als Beispiel kann hierbei die Organisation “Exit Deutschland” dienen, welche Aussteiger aus der rechtsextremen Szene aktiv unterstützt und sie auf ihrem Weg begleitet.
Verpflichtende Aufklärungsprogramme über die Gefahren von rechten Studierendenverbindungen an Universitäten und Hochschulen
Studierende, die bisher nicht in Kontakt mit Studierendenverbindungen getreten sind, könnten unwissend in ihre hierarchischen, toxisch-männlichen Strukturen geraten. Dies kann vermieden werden, indem Studierenden das notwendige Wissen (bspw. in Zusammenarbeit mit der Fachinformationsstelle gegen Rechtsextremismus “FIRM”) über die von rechten Studierendenverbindungen ausgehende Gefahr aufgrund der Hierarchien, den Alkoholmissbrauch oder Kontakte in die rechte Szene vermittelt wird. Derartige Aufklärungsprogramme können beispielsweise ein verpflichtender Bestandteil der Einführungsveranstaltungen für neue Studierenden an allen Hochschulen und Universitäten sein.
Keine Werbung für Wohnungen und WG-Zimmer von Studierendenverbindungen auf kommunalen Wohnungsportalen
Aufgrund der hohen Mietpreise für Wohnungen und WGs können die vergleichsweise günstigen Zimmerangebote der Studierendenverbindungen und Burschenschaften attraktiv auf junge Studierende wirken, besonders wenn diese nicht aus München oder dem Umland stammen oder aus ihrem familiären Umfeld entkommen wollen. Dadurch können junge Menschen mit geringen finanziellen Mitteln unabhängig von ihrer politischen Einstellung gewollt oder ungewollt in die Fänge von rechten Studierendenverbindungen geraten. Auch für Studierende, die neu in München sind, wenig bis keine Personen kennen und daher Anschluss suchen, können durch die Angebote der Studierendenverbindungen angezogen werden.
Schaffung von mehr bezahlbaren und zentralen Wohnraum für Studierende und keine Vergabe städtischer Bauten an Studierendenverbindungen
Verbindungen besitzen häufig große Häuser in nächster Nähe zu den Universitäten und studentischen Szenevierteln, welche sie gleichzeitig günstig vermieten können. Um einen sozio-ökonomisch begründeten Zulauf zu Studierendenverbindungen zu verhindern, bedarf es mehr bezahlbaren städtischen Wohnraum für Studierende in zentraler Lage. Zudem darf aufgrund der begrenzten Wohnungssituation in München kein öffentlicher Wohnraum sowie öffentliche Grundstücke an Studierendenverbindungen vergeben werden.
Keine Teilnahme rechter Studierendenverbindungen an öffentlichen Terminen und Veranstaltungen
Rechten Studierendenverbindungen dürfen keine öffentliche Aufmerksamkeit und Zurschaustellung gewährt werden. Sie sind aufgrund ihrer antisemitischen und völkisch-nationalen Einstellung kein legitimer Teil der öffentlichen Gesellschaft und ein gemeinsames Auftreten von städtischen Einrichtungen oder Mandatsträger*innen mit rechten Studierendenverbindungen gilt es zu unterbinden.
Prüfung eines Verbots von Waffen in Studierendenverbindungen
Der Zweck einer Studierendenverbindung sollte sich lediglich auf eine gegenseitige Unterstützung während der Studienzeit begrenzen, weshalb eine Notwendigkeit zur Bewaffnung mit Hieb-, Stich- oder Schusswaffen aller Art zu keiner Zeit besteht. Immer wieder kommt es im Rahmen von sogenannten “Mensuren” zu teils schwersten Verletzungen. Eine genaue Anzahl von Verletzungen im Rahmen derartiger – eigentlich verbotener – Fechtduelle ist nicht bekannt. Zudem stellt die Bewaffnung der in Teilen antidemokratischen und rechtsextremen Studierendenverbindungen eine Gefährdung der Bevölkerung dar. Eine vollständige Entwaffnung dient daher nicht nur den Mitgliedern selbst, sondern auch der öffentlichen Sicherheit.