1/II/2022 / Z / ÄA 8

Gesundheits- und Pflegepolitik: gute Arbeitsbedingungen und beste und flächendeckende Versorgungsqualität für alle Menschen!

  1. Wir brauchen gesunde Krankenhäuser und innovative Konzepte für eine moderne, bedarfsgerechte, flächendeckende und sektorenübergreifende medizinische Versorgung in Städten und auf dem Land.

 Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit bei gleichzeitiger Verbesserung der Versorgungsqualität führen wir eine flächendeckende, sektorenübergreifende Gesundheitsplanung statt einer isolierten Landeskrankenhausplanung ein. Leistungsangebote der Kliniken müssen aufeinander abgestimmt sein und in eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung einbezogen werden. Die Gesundheitsplanung umfasst ebenso die Basisversorgung mit allgemeinmedizinischen Praxen wie die Versorgung mit Fachärzt*innen, aber auch therapeutische Berufe wie Physiotherapie, Logopädie, Psychotherapie etc. sowie die ambulante und stationäre pflegerische Versorgung und Hebammen, Geburtshäuser und Kreißsäle. So gewährleisten wir die wohnortnahe und flächendeckende Versorgung. Kleinere Kliniken oder einzelne Fachabteilungen dürfen nicht alternativlos geschlossen werden. Stattdessen werden wir die Zusammenarbeit von bestehenden Kliniken fördern. Kleinere Kliniken sollen außerdem die Möglichkeit bekommen, sich zu Gesundheitszentren zu entwickeln. Diese können eine stationäre Grundversorgung sowie ambulante und pflegerische Angebote umfassen. Gleichzeitig wollen wir Versorgung auf höchstem Niveau in spezialisierten stationären Zentren.

 Für den stationären Versorgungsbereich stellen wir ausreichend Mittel zur Verfügung. Den erheblichen Investitionsstau der Kliniken wollen wir bis 2030 überwinden. Deutlich unterfinanzierte, aber für die Daseinsvorsorge wesentliche Versorgungsbereiche wie bspw. die Akutgeriatrie/Altersmedizin, die Geburtshilfe, die Notfallvorhaltungen und insbesondere die Kinder- und Jugendmedizin stellen wir dabei in den Vordergrund und sichern eine auskömmliche Finanzierung der Vorhaltekosten zu. Insbesondere über die landeseigenen Universitätskliniken werden wir mit einem Masterplan Kinder- und Jugendmedizin die Versorgungsinfrastruktur ausbauen und Spitzenversorgung gewährleisten. Darüber hinaus setzen wir uns im Bundesrat für eine ausreichende Finanzierung der Betriebskosten ein und für eine bedarfsgerechte Finanzierung anstatt der Fallpauschalen.

Wir setzen uns dafür ein, dass die psychotherapeutische Versorgung in den Fachkliniken und insbesondere im niedergelassenen Bereich die ambulanten Behandlungskapazitäten künftig deutlich ausgeweitet werden.

Wir legen bei der Digitalisierung der Kliniken den Turbo ein: bis 2028 sollen alle bayerischen Krankenhäuser eine moderne und den Dokumentationsaufwand reduzierende digitale Infrastruktur haben. Die Digitalisierung begreifen wir als zentrale Aufgabe des Freistaates im Rahmen seiner Pflicht, Investitionskosten zu übernehmen.

Die digitale Infrastruktur der Kliniken darf nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss im Zusammenspiel mit niedergelassenen Ärzt*innen, Therapeut*innen und dem öffentlichen Gesundheitsdienst funktionieren. Darüber hinaus starten wir eine Strukturreform “Digitale Patient*innenakte“ und bauen den Zugang zu telemedizinischen Leistungsangeboten deutlich aus.
Wir fördern den Ausbau niederschwelliger lokaler Präventions- und Beratungsangeboten (bspw. Modell Gesundheitskiosk, GesundheitsTreff) insbesondere in sozio-ökonomisch benachteiligten Regionen. Dabei auch die Vorhaltung spezifischer Angebote für Migrant*innen, die Versorgung von Wohnungslosen sowie die Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherungsschutz. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Community Health Nursing zu.
Wir werden das Profitstreben im Gesundheitswesen zurückdrängen. Gesundheit ist keine Ware, sondern ein Menschenrecht. Wir wollen die Gewinnentnahme für private Betreiber von Kliniken und stationären Pflegeeinrichtungen sowie für MVZs regulieren.

  1. Wir brauchen eine Perspektive “Pflege mit Zukunft“ für alle Bereiche – akutstationäre Pflege, die Langzeitpflege, ambulante und informelle Pflege. Dazu gehören neue Pflegeplätze, gute Arbeitsbedingungen und Unterstützung für die Pflege daheim. Wir wollen Investitionen in die Pflege und eine wirksame Unterstützung der pflegenden Angehörigen.

Wir schaffen einen Investitionsfond für eine auskömmliche Finanzierung der erforderlichen Pflegeinfrastruktur. Digitalisierungsprojekte und technische System zur Entlastung der Pflege werden prioritär gefördert. Der Freistaat hat die Aufgabe, Investitionskosten zu tragen und wird diesem Auftrag unter sozialdemokratischer Regierung nachkommen.
Mit einer Ausbildungsoffensive in der Pflege unterstützen wir u.a. die Ausbildung und Einstellung von zusätzlichem Lehrpersonals. Pflegeschulen stellen wir ausreichend Investitionsmittel für eine moderne Ausstattung (u.a. für digitalen Unterricht) zur Verfügung, soweit dies aus Mitteln des Ausbildungsfonds nicht gewährleistet ist. Wir fördern die Einführung hauptamtlicher Praxisanleitungen, den Einsatz von Schulsozialdiensten und die Umsetzung innovativer Ausbildungskonzepte (bspw. Simulationszentren, interdisziplinäre Schulstationen). Die Angebote für eine Pflegeausbildung, Weiterbildung bzw. ein Studium in Teilzeit werden ausgebaut und gefördert.
Wir setzen uns für den Ausbau der akademischen Pflegeausbildung sowie die Einrichtung eines Innovationsfonds Pflegeforschung ein. Für akademisch qualifiziertes Pflegepersonal müssen Berufsperspektiven mit entsprechender Entlohnung geschaffen werden, die zur Attraktivität des Berufsbilds insgesamt beitragen. Dazu müssen Optionen für eine Fachakademisierung mit entsprechender Übertragung heilkundlicher Tätigkeiten auf die Pflege vorangebracht werden. Dual Studierende und Primärqualifizierte dürfen nicht länger mit Praktikaverträgen in den Praxiseinsätzen hingehalten werden, sondern müssen nach TVöD bezahlt werden. Darüber hinaus starten wir eine Initiative zur Entwicklung grundständiger akademischer Ausbildungsoptionen in weiteren Gesundheitsberufen (bspw. Logopädie, Ergotherapie, Physiotherapie).

Gute Pflege braucht gute Bezahlung. Pflegekräfte mit 3-jähriger Ausbildung verdienen mindestens 4.500 €. Die hoch komplexe Arbeit der Pflegenden verdient Wertschätzung, deshalb setzen wir uns dafür ein, dass Pflegekräfte mit Examen mit einer Eingruppierung in die Entgeltstufe 10 in das Berufsleben starten. Im Bundesrat setzen wir uns für die vollumfängliche Finanzierung durch die Krankenkassen über das Pflegebudget ein. Akademisierte Pflegekräfte werden analog dem höheren Dienst eingruppiert. Die Tarifpartner fordern wir darüber hinaus auf, innovative Ideen in die Tarifverhandlungen / -vereinbarungen einzubringen (bspw. spezielle Bonussysteme für Zusatzdienste/Fortbildung, Lebensarbeitszeitkonten, Sabbatical-Regelungen, altersbezogene Entlastungen, …). Wir unterstützen insbesondere Tarifforderungen, die eine Reduktion der Wochenarbeitszeit für Pflegekräfte zum Ziel haben. Projekte für die Rückkehr in den Beruf fördern wir finanziell.

Die Anerkennung von ausländischen Pflegekräften, aber auch von anderem medizinischen Fachpersonal muss deutlich vereinfacht und zeitlich verkürzt werden. Für die Integration stellen wir zusätzliche Mittel bspw. für Sprachkurse sowie für Mentorenprojekte zur beruflichen Integration zur Verfügung.

Der Erhalt einer selbstständigen Versorgung alter Menschen bzw. einer Versorgung mit möglichst geringem Pflegebedarf ist unser vorrangiges Ziel und muss unterstützt werden. Dazu gehören bspw. die Förderung von alternativen senior*innengerechten Wohnformen, der Ausbau von regionalen/quartiersbezogenen Beratungs-, Betreuungs- und Begegnungsangeboten zum Beispiel in Alten- und Senior*innenzentren unter Einsatz von Community Health Nursing, ein barrierefreier Zugang zu erforderlichen Einrichtungen sowie der Ausbau von niederschwelligen pflegerischen und haushaltsnahen Unterstützungsangeboten. Das Angebot haushaltsnaher Dienstleistungen wie Einkaufsdiensten und Hilfen in Haushalten mit pflegebedürftigen Menschen bauen wir aus. Wir unterstützen die Kommunen darin, diese Dienstleistungen über Programme des dritten Arbeitsmarktes anzubieten.

Wir werden pflegende Angehörige entlasten. Sie leisten einen enorm großen, viel zu oft übersehenes  Beitrag zur Versorgung pflegebedürftiger Menschen. Wir werden lokale und präventive Beratungsangebote flächendeckend ausbauen. Wir fördern verstärkt den Ausbau von Kurzzeitpflegeplätzen und legen ein Förderprogramm für Pflegehotels auf, damit Pflegebedürftige mit ihren Angehörigen gemeinsam verreisen können.

Investitionen in Langzeitpflegeeinrichtungen müssen vom Freistaat übernommen werden. Wir setzten uns im Bundesrat für eine solidarische Pflegeversicherung ein, mit einer Deckelung der Eigenbeteiligung vom ersten Monat der Pflegebedürftigkeit an.

  1. Wir wollen bestmögliche Gesundheit für alle Bevölkerungsgruppen. Wir wollen einen schlagkräftigen und modernen Öffentlichen Gesundheitsdienst.

Um die Versorgungssicherheit bei Schwangerschaftsabbrüchen auch künftig gewährleisten zu können, setzen wir uns für die Zulassung von häuslichen, medikamentösen Schwangerschaftsabbrüchen mit telemedizinischer ärztlicher Begleitung ein. Kommunale Kliniken und Universitätskliniken werden verstärkt bei der Durchführung stationärer Schwangerschaftsabbrüche einbezogen. Für Medizinstudent*innen wird die Schulung zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen Teil des Studiums. Im Bereich Drogen und Sucht ermöglichen wir – ggf. durch Rechtsverordnung – die Umsetzung von Drogenkonsumräumen, Angebote für Drug-Checking sowie eine kontrollierte Abgabe von Cannabis auf Basis der bundesrechtlichen Vorgaben.
Das Gesundheitssystem muss auf die Klimakatastrophe und ihrer gesundheitlichen Auswirkungen vorbereitet werden. Wir unterstützen deshalb die Planetary Health Bewegung und haben das Ziel, den CO2-Verbrauch im Gesundheitswesen zu senken. Wir fördern deshalb eine regionale und überregionale Vernetzung der betroffenen Bereiche und Akteur*innen (Kliniken, niedergelassene Ärzte und Ärztinnen, u.a.). Die Erstellung von Klima und Hitzeschutzplänen unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Aspekte wird verbindlich eingefordert.
Wir werden flächendeckend Schul-Pflegefachkräften etablieren. So kann Prävention und Gesundheitsförderung sowie Gesundheitskompetenz gefördert werden. Positive Auswirkungen wurden bereits in Modellversuchen in Brandenburg und Hessen festgestellt.
Wir entwickeln den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) vom Gesundheitsamt zu einem modernen Gesundheitsdienstleister für die Bürger*innen. Die Digitalisierung muss dazu deutlich beschleunigt und Schnittstellenprobleme zwischen den Einrichtungen des ÖGD sowie angebundenen Dritten abgebaut werden. Angebote und Verfahren des ÖGD müssen dienstleistungsorientiert und anwendungsfreundlich online zur Verfügung gestellt werden.
Wir wollen das Gesundheitswesen auf alle Geschlechter ausrichten und Gendermedizin in Forschung und Lehre an unseren Universitätskliniken stärken.