7/II/2023 Gutes Lernen in der Ganztagsschule ermöglichen

Status:
Überweisung

Die SPD München setzt sich auf verschiedenen Ebenen für verbesserte Bedingungen bei schulischen Ganztagsangeboten ein – insbesondere im gebundenen Ganztag. Auf städtischer Ebene ergreift sie folgende Maßnahmen:

  • Es werden ausreichend große und unterschiedliche Räume auch in bestehenden Gebäuden, die noch nicht nach dem Lernhaus-Konzept gebaut wurden, zur Verfügung gestellt oder die Gebäude entsprechend ausgebaut/erweitert. Dazu zählen Räume für Differenzierungsangebote und Gruppenarbeiten, genauso aber auch Rückzugsräume und Bereiche, in denen Freizeitangebote stattfinden können. Auch geeignete Essensräume mit passender Einrichtung müssen an jeder Schule vorhanden sein. Der Raumbedarf einer Ganztagsklasse darf nicht mehr nur über die Anzahl an benötigten Unterrichtsräumen ermittelt werden. In diesem Sinn setzt sich die Stadt München auch für eine entsprechend veränderte Schulbaurichtlinie auf Landesebene ein.
  • Es wird eine stadtweite Koordination von Freizeit- und Bildungsangeboten im schulischen Ganztag eingerichtet. Hierzu soll eine Übersicht der möglichen Angebote (beispielsweise aus dem Bereich von Sportvereinen, Musikschulen, Theaterpädagogik, Medien, Robotik und weiteren bereits bekannten Bildungspartnern) erfragt und erstellt werden, die jede Schule erhält und regional für sich filtern kann. Über die städtische Vermittlung sollen die Schulen dann mit möglichst geringem Aufwand Pakete für den Ganztag buchen können. Zusätzlich sinnvoll wäre, wenn die städtische Stelle auch mögliche Finanzierungen organisiert, verwaltet oder sogar übernimmt. Weiterhin könnte eine solche Stelle Eltern mit Informationen zu Ganztagsangeboten versorgen.Auf Landesebene setzt sie sich für folgende Maßnahmen ein:
  • Die wissenschaftlich begleitete Einführung eines „Guter-Ganztag“-Gesetzes analog zum bundesweiten „Gute-Kita“-Gesetz.
  • Die Umsetzung eines kommunenübergreifenden Konzepts der „bedarfsorientierten Budgetierung“ anhand landeseinheitlicher Indikatoren an staatlichen Schulen.
  • Die Einstellung von höheren Geldern und Personalschlüsseln für Bildung und Betreuung im schulischen Ganztag.
  • Grundlegende Beitragsfreiheit von Ganztagsangeboten, inklusive kostenloser Mittagessen für alle Ganztagsschülerinnen und -schüler.
  • Die Erarbeitung eines Konzepts, wie auch therapeutische Angebote in Schulen integriert werden können, ähnlich wie dies bereits in vielen Kindergärten geschieht.
  • Die Finanzierung und Umsetzung der oben beschriebenen Ganztags-Koordinationsstellen im ganzen Bundesland.
  • Für eine qualitativ gute Weiterentwicklung des Ganztagsangebots werden mehr Pilotprojekte im Ganztagsbereich umgesetzt (beispielsweise Ganztagsschule in Kooperation mit Gesamtschulen) sowie bestehende Angebote wissenschaftlich begleitet und evaluiert (unter anderem rhythmisierte Ganztagsschulen und der Vergleich von offenen und gebundenen Ganztagsangeboten).
Begründung:

Ganztagsangebote sollen mehr sein als nur Unterricht – Ziel ist es, dass Jugendliche „mit Kopf, Herz und Hand“ über den Tag hinweg sowohl „klassisch“ lernen, als auch Projekte verfolgen können, die sie interessieren, ihr Wissen in Übungsstunden vertiefen und früher eher im Freizeitbereich verankerte Aktivitäten in der Schule verfolgen können. Das „Mehr an Zeit“ sollte also wie von Bildungsexpertinnen gefordert zum Umdenken und damit zu einer Diversifizierung der Lernkultur beitragen (Höhmann, Holtappels & Schnetzer, 2004, S. 273). Die Etablierung der GTS sollte somit nicht allein durch arbeitsmarkt- oder sozialpolitischen, wie einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Arbeit, sondern ebenso bildungspolitische Erwartungen begründet werden. Gelingt das Lernen im Ganztag, wird Schule ein echtes Lebensumfeld – und zusätzliche Angebote sind nicht mehr vom Geldbeutel und Hintergrund der Eltern abhängig. Schließlich sollte die Teilnahme nicht von der familiären Herkunft abhängen. So nutzen im Bundesdurchschnitt eben nicht nur Kinder von erwerbstätigen Eltern, sondern ebenso Eltern mit höherem Bildungsabschluss sowie ohne Migrationshintergrund häufiger ein Ganztagsangebot (Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, 2022, S. 163). Durch eine bessere Informationslage auch zu möglichen Unterstützungsleistungen, bspw. ermöglicht durch Koordinationsstellen, wäre das Problem familiär bedingter Teilnahme ggf. bearbeitbar.In der Realität sieht der Ganztag leider oft anders aus als erhofft. Lehrermangel, fehlende Räume und zu geringe finanzielle Ressourcen ermöglichen in vielen Schulen oft keine Angebote, die dem zugrunde liegenden Konzept gerecht werden. Im schlimmsten Fall findet von 8 bis 15.30 Uhr Unterricht im selben Klassenzimmer statt, unterbrochen von einem Mittagessen in einem lauten Raum und einer halben Stunde „Lüften“ auf dem Pausenhof. Wählbare Arbeitsgemeinschaften, persönlicher Rückzug oder eigene Gestaltungsmöglichkeiten stehen an vielen Schulen in weiter Ferne. Für die meisten Schülerinnen und Schüler ist eine solche Unterrichtsform äußerst anstrengend, am Nachmittag ist teilweise kein sinnvoller Unterricht mehr möglich. Gerade an staatlichen Mittelschulen, wo der Bedarf am höchsten ist, gibt es die wenigsten Angebote. Insgesamt scheinen sich die Erfahrungen aus der Praxis mit jenen der Forschung zu decken: Der Ganztag braucht mehr Qualität. Es zeichnet sich damit ab, dass in der Ganztagsbildung ähnliche Fehler begangen werden wie in der frühkindlichen Bildung. Die Schaffung eines Rechtsanspruches in KITA oder Kinderkrippe ist nämlich den Maßnahmen der Qualitätsentwicklung, namentlich dem „Gute-KiTa-Gesetz“ zur Qualitätsverbesserung, zeitlich gesehen vorgelagert (Klinkhammer, Kalicki, Kuger, Riedel, Schacht & Meiner-Teuber, 2021, S. 19). Daher sollte ein mögliches Gute-Ganztag-Gesetz aufgrund der bereits jetzt abzeichnenden und zuspitzenden Problematiken frühzeitig und somit vor bzw. zu dem Rechtsanspruch auf einen Ganztagsbetreuungsplatz durch das Land eingebracht werden. Damit kann das Land Bayern voranschreiten und im Gegensatz zum Gute-Kita-Gesetz das Gute-GTS-Gesetz als Landesgesetz initiieren. Es soll dadurch vermieden werden, dass der kommende bundesrechtliche Rechtsanspruch auf einen Ganztagsbetreuungsplatz, welcher u.a. ein Investitionsprogramm mit Bundesmitteln zum beschleunigten Ausbau der Bildungsinfrastruktur miteinbezieht, eben nicht nur infrastrukturelle Bedingungen, sondern ebenso konkrete Maßnahmen zu einer vielfältigen Qualitätsentwicklung miteinbezieht. Da Bildung im Kompetenzbereich des Landes liegt sollte also das Land den durch den Bund geförderten infrastrukturellen Ausbau mit Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung flankieren. Schließlich kann der Freistaat das vom Bund beschlossene Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG), welches mit dem „Investitionsprogramm zum beschleunigten Ausbau der Bildungsinfrastruktur“ wohl weniger differenziert Qualitätsmaßnahmen aufgreift als vergleichsweise das KiQuTG in der frühkindlichen Bildung, ergänzen. Dabei sollten im Gegensatz zum KiQuTG eine Beitragsbefreiung explizit nicht als Handlungsfeld aufgenommen werden. Denn gemäß Ergebnissen des Forschungsprogramms ERiK wurde ein Großteil der Fördergelder (26%) zur Entlastung der Eltern bei den Beiträgen genutzt (Klinkhammer, Schacht, Meiner-Teubner, Kuger, Kalicki & Riedel 2022, S. 24). Da sich die Sozialdemokratie für eine kostenlose Bildung in allen Bildungsetappen und -Formen einsetzt, ist eine finanzielle Förderung dieses Handlungsfeldes in einem Gesetz zur Qualitätsentwicklung der Ganztagsschule redundant. Weiterhin sollten geförderte Qualitätsmaßnahmen verstärkt durch Forschungsprojekte begleitet werden, welche ähnlich wie das ERiK-Projekt zum KiQuTG,  eine empirische Grundlage zum Monitoring liefern können (https://www.dji.de/ueber-uns/projekte/projekte/entwicklung-von-rahmenbedingungen-in-der-kindertagesbetreuung-erik/aktueller-stand-des-forschungsprojektes.html).

Zur Finanzierung und Umsetzung einer landesübergreifenden Ganztags-Koordinationsstellen können ebenso weitere Kompetenzen und Ziele hinzugefügt werden. Durch solche Stellen könnte sich das Land Bayern unter anderem verstärkt innerhalb des Landes als auch mit anderen Bundesländern zusammen, bspw. innerhalb der KMK, für einheitlichere Standards sowie konkretere Vorgaben in der Ganztagsbildung einsetzen. Laut der aktuellen Bildungsberichterstattung fehlt es oft an solchen einheitlichen Wissensständen. „Über die konkrete Ausgestaltung der von der KMK unterschiedenen Organisationsmodelle an Ganztagsschulen , deren Bedeutung nicht nur mit Blick auf die einzelnen Schularten, sondern auch je Land variiert, ist bislang wenig bekannt.“ (Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, 2022, S. 159). Des Weiteren sollten für eine qualitativ und koordinierte Ganztagsschulentwicklung mehr Pilotprojekte in der Ganztagsbildung mit begleitender Forschung initiiert werden. Bis heute zeigen beispielsweise die AuotrenInnen der StEG-Studien, dass die vom Ganztagsschulverband favorisierte gebundene Form der Ganztagsschule (https://www.ganztagsschulverband.de/bundesverband/programmatik.html), zwar theoretische „Qualitätsvorsprünge“ vorweist, diese bisher jedoch empirisch nicht belegt werden können (Holtappels, Klieme, Rauschenbach & Stecher, 2021, S. 278). Somit sollte gemäß den Empfehlungen des Aktionsrats Bildung in (oder ggf. ohne) Abstimmung mit anderen Bundesländern gefolgt werden „ein Evaluationsprogramm zum Potenzial rhythmisierter Ganztagsgrundschulen aufzulegen, das insbesondere die Effekte Bildungsgerechtigkeit und Leistungsförderung in den Blick nimmt und damit gesicherte empirische Aussagen“ (Aktionsrat Bildung, 2013, S. 10) liefern kann. Mögliche Pilotprojekte /-Schulen sollten jedoch diversifiziert werden und daher andere Interventionen, welche wie bspw. durch die StEG-AutorenInnengruppe empfohlen neue Praxisformen im Ganztagsbetrieb implementieren (Holtappels, Klieme, Rauschenbach & Stecher, 2021, S. 276) oder Kooperationen unterschiedlicher Träger / Institutionen (bspw. Gesamtschulen) fokussieren. Koordinationsstellen können, in Anlehnung an die Praxis der Stadt München, weiterhin durch landeseinheitliche Vorgaben und Indikatoren gezielt Schulen für Fördermittel auswählen. So erhalten städtische Schulen eine durch die Zusammensetzung der Schülerschaft festgelegte bedarfsorientierte Budgetierung, die über mehr Lehrerstunden ein anderes Arbeiten ermöglicht und den Schulen sowohl finanziellen als auch gestalterischen Spielraum gibt, den Ganztag zu einem gewinnbringenden Angebot für alle zu machen. Ein solches Konzept wäre auch an staatlichen Schulen wichtig und sinnvoll. Darüber hinaus sollte der Freistaat dafür einstehen, dass der Ausbau der Bildungsinfrastruktur nicht abhängig ist vom Wohnort. Denn in der Bildungsforschung ist durchaus bekannt, dass die regionale Ungleichheit in der Bildungsteilhabe erweist sich seit den 1960er Jahren als stabil erweist (Ditton, 2008, S. 645). Diesem Problem sollte endlich begegnet werden und Regionen mit einem erhöhtem Förderungsbedarf stärker unterstützen.Da die infrastrukturellen Rahmenbedingungen entscheidend für die pädagogische Qualität vor Ort sind, sollten diese selbstverständlich nicht vernachlässigt werden. Um beispielsweise den ganzen Tag in der Schule „auszuhalten“, braucht es zudem Rückzugsräume und Räume, die Spiel- und Bewegung zulassen – dafür jedoch auch wieder Personal, um Aufsicht zu gewährleisten und ausruhen zu ermöglichen. Die Aspekte der Räume und des Personals sollten damit unabhängig von einem konkreten „Gute-Ganztag“-Gesetz finanziell gefördert werden.

Um eigenständig in Gruppen oder auch unterstützt zu lernen, braucht es wiederum Räume, in denen Förderung und Differenzierung stattfinden kann und natürlich auch hier wieder das Personal, das die Förderung übernehmen kann. Wenn sich 25 Schüler auf zwei Räume verteilen, können sie eigenständige Aufgaben deutlich konzentrierter und erfolgreicher bearbeiten als im überfüllten Klassenzimmer. Aktuell hängt die Aufgabe, konkrete Angebote für den eigenen Ganztag zu finden, zu organisieren und zu buchen an der Schulleitung. Die dafür regulär zur Verfügung gestellten Mittel sind zu gering. Es gibt aus verschiedenen Bereichen zusätzliche Fördertöpfe und -mittel – diese im Überblick zu behalten und jeweils für einzelne Projekte aufwändig zu beantragen, ist aber eine zusätzliche Herausforderung im so oder so schon verwaltungsintensiven Schulalltag. Die Stadt München könnte mit einem koordinierenden Angebot Abhilfe schaffen, bei dem Schulen einen schnellen Überblick über mögliche Angebote erhalten und bei der Buchung der Angebote so umfassend wie möglich unterstützt werden – im Idealfall sollte von Schulseite einfach nur angegeben werden müssen, was im kommenden Schuljahr benötigt/gewünscht wäre und dann die Umsetzung vor Ort geplant werden. Ein solches Vorgehen würde auch vielen Vereinen und Initiativen zugutekommen, die ansonsten aufwändig nach interessierten Schulen recherchieren müssen oder dringend auf Nachwuchs hoffen.